Castello Del Sole

F(r)isch auf den Tisch

Frisch gefangener Fisch aus dem Lago Maggiore

In jungen Jahren flitzte Giovanni Palmieri auf dem Motorrad über die Piste und jagte WM-Punkten hinterher. Heute gehen ihm die Fische scharenweise ins Netz. Seine frisch gefangenen Felchen, Zander und Seeforellen aus dem Lago Maggiore landen auch in der Küche von Chef Mattias Roock vom Castello del Sole. 

IM INNEREN EINES PERFEKTEN FANGS

Der frühe Vogel fängt den Wurm

Morgens um drei liegt Brissago noch im Tiefschlaf. Ganz Brissago? Nein. Mitten auf dem Lago Maggiore erhellt ein Lichtkegel das Wasser rund um ein Fischerboot.

Giovanni Palmieri (55) steht an der Winde, die das Netz aus der Tiefe hochzieht. Mit geübtem Handgriff holt er Felchen um Felchen aus den Maschen. Rund 45 Kilogramm der Silberpfeile liegen zwei Stunden später auf Eis. Eine ordentliche Ausbeute für den Monat August, längst nicht immer ist der Fang so ertragreich.

Die Wetterverhältnisse sind dabei entscheidend. «Felchen sind sehr wählerisch», erklärt der Berufsfischer. Nach dem Unwetter im Maggiatal vergangenen Sommer trug die Maggia viel Schwemmholz und verschmutztes Schmelzwasser in den Lago Maggiore, weshalb die Felchen in grössere Tiefen oder Richtung Italien geschwommen sind. Es vergingen mehrere Tage, bis sie wieder vor Brissago auftauchten.

«Ein harter Beruf. Aber bei ruhigem Wetter allein mit den Möwen und der aufgehenden Sonne auf dem Wasser zu sein, ist wunderbar.»

1500 Meter Netz lagen eine Nacht lang zwei Meter unter der Wasseroberfläche mitten im See. «Das ist der Ort und die Höhe, in der sich die Felchen im Moment aufhalten», sagt Palmieri.

Andere Speisefische wie Zander und Egli bevorzugen Ufernähe. So auch der Hecht, der ihm gestern ins Netz ging. Über sieben Kilogramm habe er gewogen. Ein kapitaler Fang. Doch aufgrund der vielen Gräten ist der Raubfisch bei der Kundschaft nicht besonders beliebt. «Wohl zu viel Arbeit», sagt er lachend und zuckt mit den Achseln. Ihm ist sowas fremd.

Nacht für Nacht, bei Nebel, Regen und Schnee ist er auf dem Lago Maggiore unterwegs, um Zander, Felchen oder Seeforellen zu fangen. Lange und ungewöhnliche Arbeitszeiten, kaum Freizeit, nur wenige Stunden in der Woche mit der Familie und Freunden — seit Generationen gehört dies in der Familie Palmieri zum Leben.

Ein Handwerk, das mit Stolz weitergegeben wird

Früher hat er die Netze von Hand eingeholt, so wie sein Grossvater und seine Mutter, die den Familienbetrieb vor ihm führten. «Von Hand spürt man sofort, wenn ein grosser Fisch im Netz ist. Ein magischer Moment.» Heute wird die Winde elektrisch betrieben. Angenehmer für den Rücken, aber die Aufregung beim Einholen gehe so halt verloren, sagt Palmieri.

Ein kurzer Blick auf die Uhr zeigt: höchste Zeit, zurückzukehren. In zwei Stunden werden die Bestellungen an Gourmetrestaurants in der Region ausgeliefert. Davor müssen die Fische noch ausgenommen, geschuppt und verladen werden. Er wirft den Motor an. Das Boot schiesst über das spiegelglatte Wasser. Palmieri steht hart im Wind und lächelt zufrieden. 

 

Dass er neben dem Fischer-Gen auch Benzin im Blut hat, bestätigt eine Fotografie, die in seiner Pescheria in Brissago an der Wand hängt: Giovanni Palmieri auf einem Aprilia Rennmotorrad. 26 WM-Rennen in der 125-ccm-Kategorie hat er Anfang der 1990er-Jahre bestritten, war auf den berühmtesten Rennstrecken der Welt unterwegs. Eine aufregende Zeit, an die er sich gerne zurückerinnert.

Tempi passati. Statt WM-Punkte jagt der Tessiner heute Fische und geht in den ambitionierten Küchen Asconas ein und aus.

Auch Mattias Roock lässt sich seit Jahren von Giovanni Palmieri beliefern. 

 

«Im Menu Sapori del nostro orto, das ganz auf regionale Zutaten ausgerichtet ist, sind seine Felchen, Zander oder Seeforellen fester Bestandteil.»

Und geht dem Fischer ein Wels ins Netz, greift der Küchenchef vom Castello del Sole auch gerne zu. Der grösste reine Süsswasserfisch Europas gehört eigentlich nicht zu den Gourmetfischen. Doch der Boden vom Lago Maggiore sei weitgehend sandig und steinig, was sich sehr positiv auf den Geschmack auswirke. «Sein weisses, festes Fleisch lässt sich hervorragend zubereiten. Mit einem Wels, der ein Gewicht von bis zu zehn Kilo auf die Waage bringt, können wir zahlreiche Gerichte anbieten und einen weiteren Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten.» 

Anina Rether